Covergirl

TheaterRaum München

Covergirl

von Barbara Herold

"...es ist eine sehr, sehr gute Aufführung. Da freut man sich als Autorin."
Barbara Herold, Autorin von 'Covergirl', nach der Premiere am 17.6.15 via Facebook

COVERGIRL. WIE LYNNDIE ENGLAND DAZU KAM, DAS BÖSE AMERIKA ZU VERKÖRPERN

Im Frühjahr 2004 gingen die Fotos der Folterer aus dem irakischen Militärgefängnis von Abu Ghraib um die Welt. Darauf zu sehen sind irakische Häftlinge, wie sie gedemütigt, gequält und zu sexuellen Handlungen genötigt werden. Darauf zu sehen sind auch die Täter, amerikanische Soldaten der Militärpolizei, die lachend in die Kamera schauen, als handele es sich um Souvenirfotos. Sinnbildlich für sie alle aber steht vor allem ein Gesicht: das Gesicht Lynndie Englands. Ihre Fotos sind Geschichte geworden: Lynndie mit einem Häftling an der Hundeleine, Lynndie grinsend hinter eine Pyramide nackter Männer, Lynndie auf einen masturbierenden Gefangenen deutend...
Lynndie England, Mutter eines Sohnes, wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, die sie 2005 antrat.

Wer ist diese junge Frau, die Meteorologin werden wollte und mit 20 Jahren zum Kriegseinsatz in den Irak abkommandiert wurde? Wie ist das Foto mit der Menschenpyramide an ihrem 21.Geburtstag entstanden und welche Rolle spielte bei all dem ihr fünfzehn Jahre älterer Freund Charles Graner, Vater ihres 2004 geborenen Sohnes, der die Vaterschaft abstreitet und durch seine Zeugenaussage im ersten Prozess ein milderes Urteil verhinderte? Waren die abfotografierten Folterungen und Demütigungen nur die Exzesse ein paar durchgeknallter Einzeltäter? Wurden sie geduldet? Oder gar von höherer Stelle angewiesen? Wie erlebte Lynndie England ihre dreijährige Haftzeit? Wie kann sie – als Ikone von Abu Ghraib – nach der Entlassung ihr Leben weiterführen? Und zu guter letzt: Was ist „Doing-a-Lynndie“, einer von knapp 300.000 Einträgen zu Lynndie England im World Wide Web?

COVERGIRL. WIE LYNNDIE ENGLAND DAZU KAM, DAS BÖSE AMERIKA ZU VERKÖRPERN versucht Antworten auf diese Fragen zu geben. Aufgrund intensiver Recherchen zeichnet Barbara Herold auch ein anschauliches Bild darüber, wie man sich die Vorgänge in Abu Ghraib vorzustellen hat. Vorrangigstes Ziel des Stückes ist es aber, die Fassungs- und Ratlosigkeit zu formulieren, welche die Bilder und die Geschichte der jungen Soldatin auslösen.


Felix Mitterer schreibt... (Quelle: http://www.cover-girl.at)
Barbara Herold hat mit ihrem Stück „Cover Girl“ auf mutige, genau recherchierte und hochliterarische Weise das „heiße Eisen“ angefasst, das uns grausame und unheilbare Wunden einbrennt, seit die Menschheit Kriege gegeneinander führt. Die Autorin und Regisseurin zeigt uns am Beispiel von Lynndie England, was der Krieg aus Menschen macht, natürlich auch der so genannte „gerechte Krieg“.
Aus den Aussagen der jungen US-Soldatin schält sich unerbittlich die Wahrheit wie aus einer Zwiebel, die man häutet. Der Feind nämlich ist immer der Unmensch, der Untermensch, den man demütigt und quält, dem man die Menschenwürde nimmt.
Dass dies in jedem Krieg passiert, hat daher weniger mit sadistischen Einzeltätern zu tun, sondern hauptsächlich mit dem System. Die Militärführung will, dass der „Feind“ gebrochen wird, die Militärführung duldet den Psychoterror nicht nur, sie fördert ihn auch. Kommen die Ereignisse dann ans Licht, zum Beispiel durch dieses gefährliche Ding Digitalkamera, mit der man so einfach „Souvenirfotos“ machen kann, dann wäscht die Führung ihre Hände heuchlerisch in Unschuld.
Lynndie England geht ins Gefängnis, die militärische Führung untersagt den Gebrauch von Digitalkameras während der Dienstzeit und geht zur Tagesordnung über, nämlich zum „gerechten Krieg“ mit denselben Mitteln wie zuvor.
Solange es Kriege gibt, wird es Lynndie England geben. Und den letzten beißen immer die Hunde. Das lehrt uns das bittere, erschreckende Theaterstück von Barbara Herold.

Felix Mitterer, 29.01.2008


Zuschauerstimmen (Quelle: twotickets.de):
"Gut gespielter Monolog von Pia Kalb als Lynndie England. Das Stück versucht die Person Lynndie als Menschen und nicht das Covergirl zu sehen, leuchtet in Form einer Befragung / Interview gekonnt in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.. Eine sehr geglückte Sichtweisenerweiterung, weg vom Bild der Medien"
"Die Realität ist hart und grausam, all zu oft durch jene ausgeführt, die selbst aus einfachen Verhältnissen kommen und leicht zu manipulieren sind...die wirklich Schuldigen sind die, welche nicht sehen wollen, dass es alles schon mal gegeben hat und wieder geben wird, solange der Mensch nicht für alle - Täter wie Opfern die gleichen Regeln und Gesetze aufstellt. Amerikaner können immer noch nicht vor dem Internationalen Gerichtshof verurteilt werden.... DAS STÜCK und die Darstellerin haben eindrucksvoll gezeigt, dass man hinter die Fassade blicken muss und hier niemand bestraft wurde, der nur Täter war...Opfer bleiben immer zurück, auf allen Seiten. Die Darstellerin hat wunderbar Gefühle gezeigt und die Tat auf den Menschen reduziert, es geht nicht um die Person allein. Von dieser Dame will ich mehr sehen, tolle Leistung."
"(...) Pia Kolb bot eine hervorragende schauspielerische Leistung. Auch dem (B)uch und der Regie meinen grössten Respekt.(...)"
"Ich fasse mich heute kurz. Um es in der Sprache der Filmbranche zu fassen: Der Oscar für das beste Drehbuch geht an Barbara Herold mit Covergirl. Der Oscar für die beste Hauptdarstellerin geht an Pia Kolb. Der Oscar für die beste Regie geht an Heiko Dietz."



mit Pia Kolb

Regie: Heiko Dietz
Bühne/Licht: Heinz Konrad
Dramaturgie: Henri Le Kat

Veranstalter: TheaterRaum München
Aufführungsrechte: Hartmann & Stauffacher Verlag

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